Die Fotos unserer Konferenz sind online.
Außerdem möchten wir euch noch die Rede der Produzentin Bettina Brokemper anlässlich der Eröffnung unserer Konferenz Macht Strukturen! am 29. November in der KHM präsentieren:
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Filmemacherinnen und Filmemacher,
ich wurde gebeten, ein paar einleitende Worte zur Konferenz zu sprechen. Eine Bitte, der ich gerne nachkomme – allein schon, weil ich in den letzten Jahren als Produzentin eine gewisse Sensibilität für den Bereich des weiblichen Medienschaffens entwickelt habe, aber auch, weil ich das Motto MACHT STUKTUREN ausgesprochen knackig formuliert, originell und inspirierend finde.
MACHT STRUKTUREN ist ein pfiffiger, weil vieldeutiger Titel. Er suggeriert ein festes Gefüge von Machtstrukturen – ich ergänze mal: ungerechten, oft männlich dominierten Machtstrukturen. Man kann es aber auch als Aufforderung verstehen: Macht gefälligst Strukturen. Vernetzt Euch, haut auf den Putz, stellt Forderungen, bekennt Farbe, macht endlich was. Make yourself visible! Eine Aufforderung, die doch in unserer Bilder produzierenden Branche nicht schwer fallen dürfte. Aber wer hält die Mittel in der Hand, wer bestimmt darüber, was gedreht wird, was öffentlich sichtbar wird?
Im Forderungskatalog von LADOC lese ich:
Wir verlangen eine sichtbare Entflechtung von Macht in den wichtigen Entscheidungspositionen der Film- und Fernsehbranche. Wer über Sendeplätze verfügt, soll nicht gleichzeitig über die Finanzierung von Filmen durch die Filmförderung entscheiden dürfen.
Die Idee, dass Sendervertreter nicht in jenen Gremien sitzen sollen, die über den Verwendungszweck der eigenen Einzahlungen bestimmen, hat etwas Charmantes. Ich halte es aber für schwer durchsetzbar, weil mir kein Hebel einfällt, mit dem man den Anstalten den freiwilligen Verzicht auf ein Mitspracherecht über das, was mit „ihrem“ Geld passiert, schmackhaft machen könnte. Sollten aber heute oder morgen während der Konferenz überzeugende Argumentationsstrategien aufblitzen, wie man aus interessensgesteuerten Geldgebern glückliche Mäzene macht, die auf jede Einflussnahme verzichten, wäre ich eine dankbare Zuhörerin.
„Macht – Geld – Abhängigkeiten – gesellschaftliche Teilhabe – Gleichberechtigung der Geschlechter“ ein Themenkomplex mit Ewigkeitsgültigkeit? Ein stereotypes Klischee lautet, dass über Tausende von Jahren hinweg die Angehörigen des weiblichen Geschlechts von ihren naturgegebenen geistigen Fähigkeiten keinen Gebrauch machen konnten, weil die Männer mit der ihnen eigenen größeren Körperkraft und ihrer angeblichen geistigen Überlegenheit den Frauen den Zugang zu Macht und zur Kultur verwehrten.
Dieses Klischee ist ein nicht totzukriegendes Vorurteil von der systematischen Benachteiligung der Frauen und verschweigt, dass es schon immer und in allen Disziplinen Frauen gegeben hat, die auf ihrem Gebiet Karriere machten. Sicher, sie waren die Ausnahme und nicht die Regel. Aber es gab sie.
Oft ist auch von der „gläsernen Decke“ die Rede, die den Frauen den Durchbruch zu den Top-Positionen verbaut. Die Rede ist von der Allianz der Kerle, von systematischer Vetternwirtschaft und männlichen Seilschaften, die die Pfründe sichern, die Pöstchen verschachern und die Erbhöfe verteidigen. Da ist sicher einiges dran, klingt aber oft resignativ. Viel produktiver und mutmachender ist es doch, von Frauen zu erzählen, die allem Widerstand zum Trotz ihr eigenes Ding gemacht haben und darin erfolgreich wurden. In der Tat: Ingenieurinnen sind nicht viele darunter. Die meisten Frauen eroberten einen Markt, der ihnen aus dem hausfraulichen Alltag geläufig war. Oft ging es um Kinder – bei Margarethe Steiff wars der Teddy, bei Ruth Handler die Barbiepuppe – oder um die Vermeidung von Kindern – ich spreche von Beate Uhse. In den meisten Fällen aber hatten die Gründungen ihr Fundament in den Bereichen Mode und Kosmetik. Aenne Burda, Coco Chanel, Jil Sander, Maria Bogner, Vivienne Westwood, Helena Rubinstein, Estée Lauder usw. usw. und Martha Matilda Harper, eine Selfmademillionärin, eine Macherin, die leider in Vergessenheit geraten ist, von der ich aber kurz erzählen möchte, weil sie ein innovativer Geist war und eine großartige Netzwerkerin.
Als Matilda Harper 1857 geboren wurde, war ihr nicht in die Wiege gelegt, dass sie einmal einen Kosmetikkonzern leiten und das System des Franchising erfinden würde. Sie stammte aus kleinen Verhältnissen, genoss wenig Bildung und arbeitete die ersten Jahrzehnte ihres Lebens als Dienstmädchen. Der einzige Luxus, den sie sich nach einem 14-stündigen Arbeitstag gönnte, war die Pflege ihrer Haarpracht. Aus Kräutern und Essenzen kreierte sie ihre eigenen Shampoos und Tinkturen. Mit 30 eröffnete sie ihren ersten Harper-Shop für Haarprodukte und Anwendungen. Um ihren Kundinnen den Aufenthalt komfortabel zu machen, erfand sie einen Stuhl mit verstellbarer Rückenlehne und fürs Haarewaschen ein Waschbecken mit Nackenmulde. Der Erfolg stellte sich schnell ein und sie musste expandieren, um die Kundinnenwünsche zu erfüllen. Für die nächsten Niederlassungen entschied sich Mrs Harper dazu, ehemalige Hausangestellte anzustellen, da sie der Überzeugung war, diese hätten das ausgeprägteste Verständnis des Dienstleistungsgedankens. Sie verfasste eine Bibel für den rechten Umgang mit Kundinnen und entwickelte eine eigene Linie von Haarpflegeprodukten. Am Ende der Expansion gehörten knapp 500 selbständige Harper Shops zur Kette. Und das Erstaunlichste: die Filialen wurden fast ausnahmslos von Frauen geführt, den Harper-Girls. Mrs. Harper wusste, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Bildung bedingen sich gegenseitig.
Oft sind es Frauen, die auf Netzwerke und Kooperationen setzen. Brownie Wise erfand die Tupperparties, indem sie Frauen überzeugte, ihr eigenes Wohnzimmer als Verkaufsraum zu Verfügung zu stellen, und darüber hinaus das Netzwerk der eigenen Freundinnen einzubringen. Ähnlich funktionierte das System der Avon-Beraterinnen und das Prinzip der Quelle-Sammelbestellerinnen.
Wir Filmfrauen stehen also in einer guten Tradition, wenn wir auf Solidarität und Netzwerke setzen. Wenn wir auf Kreativität und persönliche Fähigkeiten setzen, statt die Strategien der Männer zu kopieren. Und manchmal braucht´s eben auch den Mut und die Pfiffigkeit der Einzelnen. Von Helena Rubinstein geht das Gerücht um, sie nutze einen kleinen Trick, um ihren Geschlechtsgenossinnen dauerhaft das Geld aus der Tasche zu ziehen. Entgegen dem Trend, dass Frau sich gern jünger macht als sie ist, machte sich Frau Rubinstein um einige Jahre älter. Ihre Kundinnen sollten meinen, mit Rubinstein-Produkten könne man das Altern überlisten. „Was, die Rubinstein ist schon 50, sie sieht doch viel jünger aus.“ Was sie natürlich tatsächlich war. Frau Rubinstein fasste ihr unternehmerisches Credo mit einem markanten Satz zusammen: You have to be „klug“. Das wäre auch mein Tipp. Setzen Sie auf Solidarität und Netzwerke. Nutzen Sie die Vorteile der Schwarmintelligenz, aber bewahren Sie sich Ihre Individualität. Zeigen Sie Haltung und scheuen Sie keine Auseinandersetzung. The Medienwelt is a tough one. You have to be „klug“. Kleine Tricks sind erlaubt. Wenn sie der guten Sache dienen.
Vielleicht gelingt uns dann auch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, in der es nicht um Macht geht, sondern um Inhalte. Und dann heißt es:
Macht Sinn!
Macht Spaß!
In diesem Sinne wünsche ich uns eine erkenntnisreiche, lebendige, diskussions- und meinungsfreudige Konferenz. Macht weiter!
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